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Pressebericht: Mixer

Jobs 2000 Seite 34
Ausgabe 10/2000

Ausmusterung à la carte

SKURRILER WEHRDIENSTGEGNER BIETET ANGEBLICH TODSICHERE SIMULATIONSTRICKS FÜR MÖCHTEGERN-TOTALVERWEIGERER

Verfasser
Patrick Schöneborn


Für nahezu alle werdenden Männer unter uns steht ja bekanntlich irgendwann die schwere Frage an, welches Schweinderl es denn nun sein darf: 10 Monate Bundeswehr oder 11 Monate Zivildienst? Die instinktive Antwortt meist: Ach danke, ich verzichte auf beides! Doch selbst wer weder Flintenfetischist noch angehender Sozialpädagoge ist, muß nach dem Abi o.ä. unweigerlich antreten und darf fortan ein knappes Jahr notdürftig bezahlt dem Staat dienen, während sich die weibliche Bekanntschaft bereits kollektiv in die weite Welt verabschiedet oder im bequemen Uni-leben eingenistet hat.

Unfair! Ob es denn Freiheitsliebe, Horror vorm Heer oder Zoff beim Zivi ist: Gründe dafür, gar nicht erst hin oder gleich wieder weg zu wollen, gibt es leider viele - obwohl das Dienstjahr einem Gutteil der Betroffenen auch Spaß, Kleingeld und vielleicht sogar einen neuen Lebenssinn (endlich Scharfschütze - helau!) gebracht hat. Doch um diese glückliche Zunft geht es hier nicht, sondern um diejenigen, die gerne den größten aller Coups landen wollen: T5 - untauglich!
   Die Musterung - das alte Mysterium. Eine Geschichte voller Mißverständnisse. Ganze Generationen überliefern auf den Schulhöfen des Landes Storys über die Tauglichkeitsprüfung im Kreiswehrersatzamt (KWEA). Von lüsternen Militärärztinnen auf herz und Nieren untersucht worden, den Doktorenstab mit angeblicher Schwerhörigkeit genarrt, vom Onkel ein Attest über Stauballergie mitgebracht und gleich weggeschickt worden ... jaja. Doch spätestens seit Einführung des Tauglichkeitsgrades 7 im Jahr 1995 müssen auch Asthmatiker, Allergiker sowie kreuzbandlose Unglücksskifahrer antreten - die Musterungskriterien sind soweit verschärft worden, daß eine Ausmusterung ohne professionelle Hilfe nahezu unmöglich geworden ist.

   Das sagt zumindest Peter Zickenrott, Verfasser des "Anti-Wehrdienst-Reports". Er hat sich darauf spezialisiert, sowohl gerade erst vom KWEA erfaßte als auch bereits im Dienst befindliche Wehrphobiker (bzw. Zivildienst-Leidende) über die Ausmusterung in Freiheit zu bringen. Da sich eine solche Tätigkeit zwangsläufig am äußersten Rande der Legalität bewegen muß, formuliert er

stets vorsichtig und weist daraufhin, dass niemand getäuscht werden soll. Dennoch weist Zickenrott stolz auf seine Erfolgsquote von angeblich 100% in über 13.000 Fällen hin und behauptet, auch quicklebendige Musterungskandidaten sicher an die begehrte Untauglichkeitserklärung zu bringen.
   Seine Dienstleistung beschränkt sich dabei nicht auf Lieferung des Buches:
   Auch Schreibdienst, eine ausführliche Beratung und sogar Adressen potentiell gütig gestimmter Ärzte werden angeboten, um den Heeresmedizinern endlich glaubhaft machen zu können, daß man unter seltenen, aber schwer nachweisbaren Krankheiten, Neurosen oder Psychosen leidet. Einfach nur beim Bund nächtlich ins Bett zu machen, reicht offenbar nicht mehr!

   Zickenrott (www.zickenrott.de , Tel. 0 77 51 / 54 46) verlangt für seine Dienste zur Zeit DM 550 - ob das viel oder wenig ist, muß wohl jeder für sich beurteilen. Selbst für diejenigen, die sich auf dieses Vabanquespiel einlassen möchten, dürfte jedoch schmerzhaft sein, daß der Betrag vorab zahlbar ist, und nicht erst im Erfolgsfall - einigermaßen viel Geld für ein Buch, das zu einem Teil nur die Symptome bekannter Krankheiten beschreibt, und Zusatzservice, deren Nuten man noch nicht genau kennt. Zickenrott argumentiert, daß er vollends in den illegalen Raum abrutschen würde, wäre seine Dienstleistung erst bei erfolgter Ausmusterung zu vergüten - dann hätte er nämlich ein wirtschaftliches Interesse daran, daß seine Zöglinge reüssieren und würde sich möglicherweise der Anstiftung zur Wehrkraftentziehung durch Täuschung strafbar machen.
   Wie auch immer: Vorsicht ist angesagt, wenn nicht gleich der halbe erste Sold in fremde Händen landen soll. Mangelnder Erfolg konnte Zickenrott bisher zumindest nicht nachgewiesen werden.

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